Fragwürdiges Urteil zum Leistungsschutzrecht könnte Website-Betreiber verunsichern

Nach einer Entscheidung des LG Berlin kann das Veröffentlichen eines Screenshots auf einer geschützten Website gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger verstoßen.

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Fragwürdiges Urteil zum Leistungsschutzrecht könnte Website-Betreiber verunsichern

Verlage können dank des Leistungsschutzrechts für die Verwertung ihrer Artikel im Web Lizenzgebühren erheben.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Joerg Heidrich

Kaum eine Gesetzänderung ist wohl gegen mehr öffentlichen Widerstand durchgesetzt worden als das Mitte 2013 in Kraft getretene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Nunmehr wurde das erste Urteil bekannt, das darauf beruht. Allerdings wirft die allerorts heftig kritisierte Entscheidung des Landgerichts Berlin (Az. 15 O 412/14) mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Eine Medienagentur hatte auf ihrer Website ein Foto veröffentlicht, auf der auch gelegentlich Artikel veröffentlicht werden. Das ausschließliche Nutzungsrecht an diesem Bild lag jedoch bei einer Fotoagentur. Da die Medienagentur das Bild nicht lizenziert hatte, schrieb der Rechteinhaber diese Mitte 2014 an und verlangte für eine Nachlizenzierung 240,75 Euro. Dieses Schreiben enthielt einen "persönlichen Zugangscode" und den Hinweis, mit diesem Code den Vorgang online abrufen zu können. Wer die angegebene URL eingab, konnte auf einen Screenshot der Website zugreifen, auf dem das Bild genutzt wurde. Der Empfänger der Abmahnung ging jedoch auf dieses Angebot nicht ein.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Im September 2014 mahnte allerdings die Medienagentur die Fotoagentur ihrerseits wegen des abrufbaren Screenshots ab, da urheberrechtlich geschützte Inhalte unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Nachdem die Fotoagentur keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, erließ das Landgericht Berlin wenige Tage danach eine einstweilige Verfügung. Danach war es dem Bilderanbieter untersagt, "selbst oder durch Dritte den nachfolgend abgebildeten Screenshot (...) öffentlich zugänglich zu machen, wie geschehen unter den URL (...)".

Diese einstweilige Verfügung bestätigte das Gericht nun mit Urteil vom 6. Januar 2015, dessen schriftliche Begründung inzwischen vorliegt. Der Medienagentur stehe gegenüber der Fotoagentur ein Unterlassungsanspruch gemäß den Paragrafen 87f, 97 und 19a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) zu. Da auf der Website der Antragstellerin auch Artikel veröffentlich wurden, handele es sich dabei um ein "Presseerzeugnis", auf welches das Leistungsschutzrecht anwendbar sei.

Der Fotoanbieter habe den Screenshot und damit einen Ausschnitt aus dem Presseerzeugnis der Antragstellerin öffentlich zugänglich gemacht, indem sie diesen auf ihrer Webseite frei und für jedermann durch Eingabe der URL abrufbar online gestellt hat. Die Antragsgegnerin hatte selbst ausgeführt, dass jeder, der die Ziel-URL kannte, den Screenshot ohne weiteres abrufen konnte. Ein Zugänglichmachen liegt auch dann vor, wenn der Inhalt nur über die Direkteingabe der Ziel-URL – also außerhalb "normaler" Suchfunktion – zugänglich ist. Dabei genüge die abstrakte Möglichkeit des Abrufes, ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit der Realisierung ankomme.

Im Endeffekt habe die Fotoagentur also durch die Veröffentlichung von Screenshots einer Website mit Artikeln gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger verstoßen. Die Tatsache, dass die übersandte URL mit einem individuellen Code versehen war, die einen Zugang für Dritte nahezu unmöglich macht, spielte dabei für das Gericht keine Rolle. Doch damit nicht genug wurde die Entscheidung auch aus anderen Gründen heftig kritisiert. So habe das Gericht nicht näher geprüft, ob es sich bei der Website der Medienagentur tatsächlich um ein Presseerzeugnis handelt. Dafür muss die vom Gesetz geforderte "redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge" vorliegen, die als "überwiegend verlagstypisch" anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient.

Vor allem aber hat das Gericht offenbar die zentrale Einschränkung des neuen Rechts übersehen: Nach Paragraf 87g UrhG ist das "öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon" zulässig, soweit sie nicht durch "gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten". Es erscheint wenig wahrscheinlich und wird in dem Urteil auch nicht dargestellt, dass es sich bei einer Fotoagentur um eine gewerbliche Suchmaschine handelt. Nach Ansicht der juristischen Website Legal Tribune handelt es sich bei dem ersten Urteil zum Leistungsschutzrecht um die "schiefe Anwendung eines verfehlten Gesetzes". Dieses werde seinem ursprünglich zugedachten Zweck nicht dienen. Dafür komme es nun "in obskuren bis missbräuchlich anmutenden Sonderkonstellationen zum Einsatz". (anw)